Was ist die Schrägbeziehung?
Die Schrägbeziehung im PSE bezeichnet den Umstand, dass sich die
Startglieder der Hauptgruppenelemente von Lithium bis Sauerstoff eher
wie leichtere Homologe der rechts benachbarten Gruppe ab dem zweiten
Homologen verhalten. Im Klartext heißt das, dass die Hauptgruppen "um
eine Stelle nach rechts und unten versetzt" mehr Ähnlichkeiten besitzen,
als in der direkten senkrechten Reihe. So ergeben sich sechs
Schrägbeziehungs-Paare: Deutlich ausgeprägt beim Lithium in seiner
Ähnlichkeit mit dem Mg anstatt dem Na. Stark ausgeprägt beim Be in
seiner Ähnlichkeit mit dem Al anstelle dem Mg. Sehr stark ausgeprägt
beim Bor in seiner Ähnlichkeit mit dem Silicium, anstelle des
Aluminiums. Schwach ausgeprägt bei Kohlenstoff und Phosphor, Stickstoff
und Schwefel. Deutlich ausgeprägt bei dem Paar Sauerstoff und Chlor
contra Fluor und Chlor, bzw. Sauerstoff und Schwefel.
Welche Gründe gibt es für diese Erscheinung?
Als Faustformel für das chemische Verhalten von Elementen in den
Reaktionen kann etwa das Verhältnis von Ionenradius zur
Ladung dienen. Dabei fällt dann im Vergleich der Elemente der zweiten
zur dritten Periode auf, dass sich die jeweils um eine Gruppe nach
rechts versetzten Elemente ähnlicher sind, als die eigenen Homologen:
Lithium / Magnesium
Die Schrägbeziehung zwischen
Lithium und Magnesium. Hier ist die Schrägbeziehung am schwächsten
ausgeprägt, jedoch an folgenden Analogien feststellbar:
Lithium wie Magnesium bilden an der Luft beim Verbrennen Nitride. Das
Natrium verbrennt zu einem Oxid.
Lithium bildet gleich Magnesium etherlösliche Halogenide mit
kovalenten Bindungsanteilen. Das Natrium bildet ionische, nur
wasserlösliche Halogenide.
Lithiumorganische Verbindungen können gleich den Grignand-Reagenzien
des Magnesiums zur Einführung organischer Gruppen und/oder Halogene in
organische Moleküle benutzt werden. Beim Natrium geht dies nur viel
eingeschränkter.
Lithium bildet wie Magnesium schwerlösliche Fluoride, Phosphate und
Carbonate. Die entsprechenden Salze des Natriums sind mäßig bis leicht
löslich.
Lithium reagiert jedoch gleich dem Natrium heftig mit Wasser, während
die Reaktion des Magnesiums dank des schwerlöslichen Hydroxids sehr
gehemmt ist. Jedoch ist das Li-Ion das einzige Alkalimetall-Ion, bei
welchem noch eine, wenngleich auch sehr schwache Hydrolyseneigung
feststellen lässt - im Gegensatz zum Natrium-Ion, jedoch gleich dem
Magnesium-Ion.
Beryllium / Aluminium
Die Schrägbeziehung zwischen Beryllium und Aluminium:
Hier ist der Effekt sehr deutlich ausgeprägt:
Beryllium bildet wie Aluminium keine echten Salze; die Fluoride sind
hochschmelzend und hochpolymer gebaut, die übrigen Halogenide kovalent.
Magnesium bildet mehr ionischere Halogenide mit hohen Schmelz- und
Siedepunkten.
Berylliumoxid wie Aluminiumoxid sind amphotere Oxide, die sich sowohl
in Säuren als auch in Laugen unter Salzbildung lösen. Magnesiumoxid als
rein basisch Oxid löst sich nur in Säuren.
Beryllium ist dem Aluminium optisch ähnlicher als dem Magnesium. Beide
können im Leichtmetallbau verwendet werden. Dabei lässt sich das
Eloxalverfahren des Aluminiums auch auf das Beryllium übertragen;
Magnesium löst sich in konz. Schwefelsäure unter lebhafter Entwicklung
von SO2 und H2 auf.
Beryllium bildet wie Aluminium Halogenid-Komplexe. Magnesium tut dies
nicht.
Berylliumcarbonat ist wie Aluminiumcarbonat unbeständig; es zerfällt
bereits bei Zimmertemperatur in BeO + CO2. Magnsiumcarbonat zerfällt
erst bei Erhitzen oberhalb 550°C.
Bor / Silicium
Die Schrägbeziehung zwischen Bor und Silicium:
Bei diesen beiden Elementen ist der Schrägbeziehungseffekt
am Deutlichsten ausgeprägt:
Sowohl Bor als auch Silicium sind so genannte Halbmetalle, die in
ihren physikalischen Eigenschaften zwischen den Metallen und den
Nichtmetallen stehen. So besitzen beide eine bei Zimmertemperatur sehr
geringe elektrische Leitfähigkeit, die jedoch mit zunehmender Temperatur
ansteigt. Beide Elemente zeigen in kompakter und hochreiner Form einen
dunklen Metallglanz, sind aber - im Gegensatz zu den echten Metallen und
in Übereinstimmung mit den Nichtmetallen spröde und nicht formbar. Dies
deutet darauf hin, daß bei beiden Elementen kein Metall- sondern ein
Atomgitter vorhanden sein muß, in welchem jedoch Elektronen
delokalisiert sind.
Das Bor bildet, wie auch das Silicium, keine Kationen. Sein Oxid, das
Bortrioxid (B2 O3 ) hat wie das Siliciumdioxid (und im Ggs. zum
Aluminiumoxid) nur saure Eigenschaften; d.h. es bildet lediglich mit
Basen Salze, in welchen das Bor dann anionisch vorliegt. Verbindungen
mit elektronegativeren Elementen (z.B. Cl, Br, I, S, O usw.) sind stets
kovalenter und niemals ionischer Natur.
Sowohl SiO2 als auch B2 O3 neigen zur Insel-, Gruppen-, Ketten-,
Schicht- und Gerüstbildung und sind daher beide Mineralienbildner. Die
Verbreitung der Borate ist allerdings wegen der naturgegebenen
Seltenheit von Bor ungleich geringer als die der Silicate.
Sowohl Bortrifluorid (BF3 ) als auch Siliciumtetrafluorid (SiF4 ) sind
Gase, ganz im Gegensatz zum hochschmelzenden AlF3 .
Sowohl Borsäure (H3 BO3 ) als auch die Kieselsäuren (H2 SiO3 , H4 SiO4 )
neigen stark zur Polymerisation und Kettenbildung. Auch ihre
Säurestärken sind miteinander vergleichbar.
Silicium kann mit Sauerstoff genau wie Bor mit Stickstoff lange Ketten
bilden, an welchen organische (oder auch anorganische) Reste
substituiert werden können. Das Resultat sind die Silicone und die
Borstickstoff-organischen Verbindungen.
Bor bildet wie Silicium mit elektropositiven Elementen den Siliciden
analoge Boride, in welchen es eine negative Oxidationszahl besitzt. Die
Alkaliboride setzen mit Wasser Boran (B2 H6 ) frei.
Kohlenstoff / Phosphor
Schrägbeziehung zwischen Kohlenstoff und Phosphor: Bei diesen beiden Elementen gibt es auffällige
Analogien, die sie ähnlicher macht, als ihren jew. Homolgen:
Sowohl Kohlenstoff als auch Phosphor kommen in metallischen und
halbmetallischen Modifikationen vor. Das Silicium hingegen existiert nur
als Halbmetall. Dabei hat die halbmetallische Form der beiden Elemente
auch ähnliche Gitterstrukturen: schwarzer Phosphor ist dem Graphit auch
optisch sehr ähnlich.
Kohlenstoff wie Phosphor sind zur Ketten- und Ringbildung befähigt.
Der Phosphor vermag dies zwar nicht in gleicher Bereitschaft wie der
Kohlenstoff, jedoch in viel höherem Maße als das Silicium.
Stickstoff / Schwefel
Schrägbeziehung zwischen Stickstoff und Schwefel:
Es gibt vereinzelte Eigenschaften, die diese beiden
Elemente gemeinsam haben, jedoch in Komplementär zum Phosphor stehen:
Stickstoff wie der Schwefel sind rein nichtmetallisch vorkommende
Elemente, während der Phosphor bereits eine halbmetallische
Modifikations besitzt.
Stickstoff wie Schwefel kommen in der Natur fast ausschließlich
anionisch vor. Phosphide sind dagegen sehr selten.
Stickstoff wie Schwefel haben allgemein eine höhere Affinität zu
Metallen und bilden mit ihnen ionische Verbindungen. Die
Metall-Phosphor-Verbindungen sind meist Übergangsstrukturen zu
kovalenten bzw. legierungsartigen Verbindungen, sie sind weniger
salzartig.
Sauerstoff / Chlor
Schrägbeziehung zwischen Sauerstoff und Chlor:
Bei diesen beiden Elementen macht sich die
Schrägbeziehung deutlich bemerkbar:
Sauerstoff wie Chlor reagieren in einer explosionsartigen Reaktion mit
Wasserstoff. Der Schwefelwasserstoff wird dagegen nur mit Hilfe von
Katalysatoren beim Erhitzen in leicht exothermer Reaktion aus den
Elementen gebildet.
Chlor wie atomarer Sauerstoff sind im Ggs. zum Schwefel in der Lage,
organische Strukturen zu zerstören.
Chlor wie Sauerstoff bilden mit Stickstoff den elektronegativen Teil
der durchweg kovalenten Verbindungen. Schwefel dagegen tritt dem
Stickstoff gegenüber deutlich elektropositiv auf.
Sauerstoff wie Chlor sind brandfördernd, selber aber nicht brennbar.
Schwefel verbrennt an der Luft zu SO2 .